Gleichheitsgebot

I. Überblick

Das GG kennt verschiedene Gleichheitsgebote. Sie verlangen alle, dass Personen bzw. Organisationen "gleich" behandelt werden. Die verschiedenen Formen von Gleichheit bei unterschiedlichen Fallgestaltungen bergen häufig anspruchsvolle Probleme für Theorie und Praxis in sich.

Ausgangs- und Zentralnorm für alle im GG eigens normierten Gleichheitsgebote ist Art. 3 GG, der für das Weltanschauungsrecht eine ähnlich große Bedeutung hat wie die Freiheitsrechte. Art. 3 GG lautet:

(1)  Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2)  Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3)  Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Der Allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I, betrifft sämtliche Lebensbereiche . Darüber hinaus betreffen einige spezielle Gleichheitsgebote Religion und Weltanschauung, aber auch andere Bereiche: die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Rechtsstellung von Behinderten und unehelichen Kindern, den Zugang zu den öffentlichen Ämtern, die Landeszugehörigkeit und die Bundestagswahlen.

Einig ist man sich darüber, dass die speziellen Gleichheitsrechte gegenüber dem Allgemeinen Gleichheitssatz stets Vorrang haben. Hinsichtlich der Weltanschauung enthalten folgende Bestimmungen des GG gesonderte Gleichheitsgebote: Art. 3 III, 4 I, 33 III und 137 VII WRV/140 GG. In ihrer Gesamtschau ergibt sich das Gebot der der weltanschaulichen Neutralität, ein Begriff, der als Zusammenfassung des in verschiedenen Bestimmungen enthaltenen Gleichheitsgebots zu betrachten ist. Man spricht dabei insbesondere von Nichtidentifikation, Unparteilichkeit, Äquidistanz, Nichtintervention, organisatorischer Trennung von Staat und Weltanschauung (i. V. m. Art. 137 I WRV/140 GG), Privilegienverbot. Zu diesen konkret sehr umstrittenen Fragen s. den Artikel Neutralität).

II. Allgemeiner und Besonderer Gleichheitssatz

1. Besonders bedeutsam ist im Bereich der Weltanschauung die Abgrenzung des Allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 I GG) vom Besonderen Gleichheitssatz (Art. 3 III GG), was im Einzelfall schwierig sein kann. Das liegt an der umstrittenen Auslegung der Frage, ob konkret eine unterschiedliche Behandlung "wegen" des Glaubens oder einer religiösen Anschauung vorliegt (Art. 3 III 1).  Genereller Ausgangspunkt ist für das eigenständige Grundrecht des - gegenüber Art. 3 I GG vorrangigen - Art. 3 III anerkannterweise,  dass er (anders als Art. 3 I) grundsätzlich untersagt, an eines der Merkmale wie Abstammung, politische Anschauungen oder Glaube anzuknüpfen (Anknüpfungsverbot). Direkte und mittelbare kausale Benachteiligungen aus einem der verpönten Merkmale sind daher im Grundsatz verboten. Oft sprechen aber sachliche Erfordernisse für die Möglichkeit von Differenzierungen. Abweichungen vom Anknüpfungsverbot müssen aber durch zwingende Gründe gerechtfertigt werden können. So ist Religion beim Religionsunterricht sogar eine verfassungsrechtliche Voraussetzung. Für Abweichungen gilt generell eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung, was aber zu unterschiedlichen Beurteilungen führt.

2. Außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 3 III GG gilt somit der Allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG. Die speziellen Fragen der Art. 3 II, 33 II, III GG werden hier ausgeklammert. Bei den weltanschaulichen Gemeinschaften fällt der gesamte Bereich der direkten und indirekten Religionsförderung unter Art. 3 I GG. Der Allgemeine Gleichheitssatz besagt, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Unterschiedliches entsprechend der Unterschiedlichkeit anders zu behandeln ist. Es sind also jeweils Sachverhalte zu vergleichen. Das Problem besteht darin, die richtigen Vergleichspaare zu bilden (rechtlich wesentliche Gleichheit?) und unterschiedliche Regelungen zu rechtfertigen. So ist etwa zu fragen, ob und in welchem Ausmaß bei der Förderung von Religionsgemeinschaften die Frage des Körperschafts-Charakters (Art. 137 V WRV/140 GG) eine Rolle spielen darf.

3. Bei der Anwendung des Gleichheitsgebots auf Fragen der Weltanschauung geht es in der Praxis weniger um diffizile Fragen einer differenzierten Anwendung der Gleichheitssätze, als um die Vermeidung offensichtlich bzw. klar ungerechtfertigter Ungleichbehandlungen zum Nachteil nichtreligiöser Personen und Gemeinschaften oder von kleinen Religionsgemeinschaften.

S. insbesondere Neutralität; Privilegien; Religionsförderung; Sekten; Staatsämter

Literatur

  • BVerfGE 85, 191/206 (Art. 3 III GG als Anknüpfungsverbot)
  • Jarass/Pieroth, GG, 18. A. 2024, zu Art. 3 GG.

© Gerhard Czermak / ifw (2017/2024)